Bisherige
Veranstaltungen der DGfR I Einladung
2004
Rückblick auf die ITB-Veranstaltung
vom 9. März 2003
Aktuelle Rechtsprobleme in
der Tourismusindustrie
Zum 9. Mal hat die Deutsche Gesellschaft
für Reiserecht eine Informationsveranstaltung für die Besucher
der ITB durchgeführt. Diesmal wurde den interessierten
Besuchern der ITB ein Überblick über aktuelle juristische
Probleme gegeben, die für die Tourismusindustrie von Belang
sind und auch den Nichtjuristen in den Reiseunternehmen
bekannt sein sollten, da durch diese in nicht unerheblichem
Maße die Rahmenbedingungen für die tägliche praktische Arbeit
gestalten. Sehr erfreulich war, dass zahlreiche Vertreter von
Reiseunternehmen von diesem Informationsangebot Gebrauch
gemacht haben.
1. Die Reihe der Kurzvorträge eröffnete Frau Rechtsanwältin
Petra Heinicke, München. Im ihrem Referat „Risiken
und Nebenwirkungen des Sicherungsscheines“ analysierte sie
zunächst die Ausgangsproblematik. Der Versicherer übernimmt
mit der Insolvenzversicherung ein sehr hohes Risiko. Sein
Wunsch, Risiko wie auch bereits eingetretenen Schaden zu
begrenzen, ist nachvollziehbar. Strenge Bonitätsprüfungen im
Vorfeld der Versicherung ziehen den Marktaustritt derjenigen
Veranstalter nach sich, die den Kriterien nicht genügen
können. Dies wirkt in einigen Fällen positiv als
„Markbereinigung“, in anderen jedoch negativ als Verringerung
des Wettbewerbs durch Marktkonzentration. Tritt der
Insolvenzfall ein, zieht das Bestreben des Versicherers nach
Schadensbegrenzung für die betroffenen Anspruchssteller
grundsätzlich ein erhöhtes Risiko rechtlicher
Auseinandersetzungen nach sich. Im Rahmen dieser
Auseinandersetzungen werden häufig auch Grundbegriffe des
Reisevertragsrechts erstmalig oder wieder problematisiert.
Beispielhaft stellte die Referentin dies an Fällen aus der
eigenen Praxis dar.
In einem Rechtsstreit vor dem LG
Frankfurt am Main ging es um folgenden Sachverhalt: Die
klagenden Anspruchsstellerinnen waren Gesellschaften mit
beschränkter Haftung und hatten bei einem Reiseveranstalter
diverse Gruppenreisen gebucht, für die sie Sicherungsscheine
erhielten. Die Reisen wurden von den GmbHs als eine Art
Incentive verwendet, um die Teilnahme an einem Fachkongress
(der nicht Bestandteil des beim Reiseveranstalter gebuchten
Pakets war) rankten sich luxuriöse Unterbringung und ein
reichhaltiges Besichtigungs- und Unterhaltungsprogramm an
touristisch sehr attraktiven Zielorten. Nach der Insolvenz des
Reiseveranstalters begehrten die Klägerinnen vom
Sicherungsscheingeber die geleisteten Anzahlungen zurück.
Hiergegen wandte die Versicherung
zunächst ein, juristische Personen könnten generell nicht
Reisende im Sinne des § 651 a ff. BGB sein. Die Reisen seien
zu gewerblichen Zwecken verwendet worden, würden deshalb nicht
dem Schutz des Pauschalreiserechts unterliegen. Der
Reiseveranstalter habe die Sicherungsscheine nicht aushändigen
dürfen, da in seiner Gewerbe- und Handelsregistermeldung weder
Kongress- noch Incentive-Reisen aufgeführt seien. Während der
Laufzeit des Prozesses entschied der BGH am 16. 4. 2002 (RRa
2002, 154), dass auch eine juristische Person Reisender sein
kann und ihre gewerblichen Zwecke bei der Zuwendung der
Reiseleistungen an Dritte zu Urlaubzwecken und Erholung der
Anwendung des Reisevertragsrechtes nicht entgegenstehen.
Nachdem sich dementsprechend eine für die Versicherung
ungünstige Entscheidung abzeichnete, wurde dann behauptet, die
in Kopie vorliegenden Sicherungsscheine (Bürgschaftsmodell)
seien von einem einzigen Original gezogen, der Zeitpunkt der
Übergabe wurde ebenfalls bestritten. In der mündlichen
Verhandlung wurden die Original-Sicherungsscheine vorsorglich
vorgelegt. Das Gericht kam jedoch zur Auffassung, dass der
Sicherungsschein nur eine deklaratorische Beweisurkunde
darstellt, also auch ohne Übergabe des Sicherungsscheines die
Zahlungspflicht der Versicherung bestand. Die
Handelsregistereintragung des Veranstalters sei für den Umfang
des Versicherungsschutzes nicht maßgeblich. Die Versicherung
wurde antragsgemäß verurteilt.
Frau Heinicke leitete dann zu den
typischen Probleme des Reisevermittlers im Zusammenhang mit
dem Sicherungsschein über. Zahlungen dürfen nach § 147 b GewO
bekanntlich nur bei Vorliegen eines Sicherungsscheines
entgegengenommen werden – dies führt dazu, dass der
Reisevermittler prüfen muss, ob ein Sicherungsschein
erforderlich ist, ob er vorliegt und ob er wirksam vorliegt.
Probleme können sich insoweit insbesondere bei
Bausteinbuchungen und bei ausländischen Reiseveranstaltern
ergeben. Die Prüfungspflicht wird nunmehr durch den
vorgeschriebenen Mustertext (§ 9 I InfoV) erleichtert. Wer als
Reisevermittler nicht oder mit vorwerfbar falschem Ergebnis
prüft, haftet dem Reisenden auf Schadensersatz und wird damit
sozusagen unfreiwilliger Ersatz-Insolvenzversicherer.
Durch die Neuformulierung des § 651 k BGB
und das so genannte Hetzel-Urteil ist nun klargestellt, dass
Zahlungen des Reisenden vom Reisebüro an den Veranstalter
weitergereicht werden müssen, auch wenn dieser bereits in
Insolvenz gefallen ist. Das frühere Risiko der divergierenden
Instanzrechtsprechung ist damit für den Vermittler
entfallen.
In dem von Frau Heinicke in diesem
Zusammenhang vorgestellten Fall ging es um die Behandlung von
Zahlungen des Vermittlers an den Reiseveranstalter aus eigenen
Mitteln. Nach der eingetretenen Insolvenz machte der
Vermittler aus abgetretenem Recht des Reisenden den Anspruch
auf Rückzahlung des Reisepreises geltend. Eingewandt wurde
zunächst, dass nur Zahlungen des Kunden selbst versichert
seien. Versichert sind aber nach dem eindeutigen
Gesetzeswortlaut „Zahlungen auf den Reisepreis“, egal, von wem
diese erfolgen. Unterstützend kann hier auch § 267 BGB
herangezogen werden. In diesem Fall war die Zahlung des
Reisepreises sogar vor Fälligkeit erfolgt, so dass die
beklagte Versicherung meinte, deshalb nicht zahlen zu müssen.
Auch dieser Einwand blieb erfolglos, denn eine entsprechende
Einschränkung lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. § 271
Abs. 2 BGB legt im Übrigen fest, dass im Zweifel der Schuldner
auch vor einer bestimmten Leistungszeit die Leistung bewirken
darf.
Der dritte im Verfahren vorgebrachte
Einwand des Versicherers, der Reisevermittler sei selbst
Veranstalter gewesen, war nach der Dokumentenlage klar
abwegig, zeigt aber, wie wichtig es ist, dass ein Reisebüro im
Vermittlungsfall eindeutig die Vermittlung dokumentiert und
nicht durch Bestätigung im eigenen Namen ohne Nennung des
Veranstalters hier in eine rechtliche Grauzone gerät.
Zusammenfassend stellte Frau Heinicke
fest, dass für den Reisevermittler bei sorgfältiger Handhabung
die Risiken des Sicherungsscheines durchaus beherrschbar sind.
2. Der folgende Vortrag behandelte die geplante
Verbesserung der Passagierrechte bei Überbuchungen,
Annullierungen und Verspätungen. Frau Rechtsanwältin
Christiane Leffers aus Frankfurt am Main stellte unter
diesem Titel den Stand der Gesetzgebungsarbeiten der
EU-Institutionen zu einer neuen „Verordnung des Europäischen
Parlaments und des Rates über eine gemeinsame Regelung für
Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im
Falle der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer
Verspätung von Flügen“1 vor.
Gegenstand der Planungen ist eine maßgebliche Erweiterung der
Passagierrechte im Vergleich zu der seit 1991 bestehenden
getretenen Verordnung (EWG) Nr. 295/91 über
Ausgleichsleistungen bei Nichtbeförderung2 – im
allgemeinen auch kurz als „Überbuchungs-Verordnung“
bezeichnet.
Frau Leffers berichtete eingangs, dass
die Europäische Union schon seit etlichen Jahren
Reformbestrebungen verfolgt, die bereits zu unterschiedlichen
Entwürfen geführt haben. Der im vergangenen Jahr auf der
ITB-Tagung der Deutschen Gesellschaft für Reiserecht
diskutierte Vorschlag der EU-Kommission sei nun allerdings vom
Tisch, da nun – seit Dezember 2002 der geänderte und teilweise
gemäßigte – Entwurf des Rates der Europäischen Union vorliege.
Eine auf diesem Entwurf beruhende neue Verordnung könne
möglicherweise noch in diesem Jahr in Kraft treten. Dabei
könnten sich gegebenenfalls noch einzelne Formulierungen, aber
nicht das Grundkonzept des Verordnungsvorschlages
ändern.
An wesentlichen Neuerungen gegenüber der
derzeitigen Rechtslage hob Frau Leffers unter anderem die
folgenden Aspekte hervor:
Der Anwendungsbereich der neuen Regelung
soll wesentlich erweitert werden: Im Gegensatz zur bisherigen
Rechtslage sollen nicht nur Linienflüge erfasst werden,
sondern auch alle Nicht-Linienflüge (Bedarfsluftverkehr),
insbesondere auch solche im Rahmen von Pauschalreisen. Durch
die Einbeziehung von Flügen im Rahmen von Pauschalreisen
würden sich dann auch erhebliche Folgewirkungen für die
Reiseunternehmen ergeben. Weiterhin soll die neue Verordnung
über den bisherigen Anwendungsbereich hinaus auch für solche
Passagiere gelten, die von einem Flughafen in einem Land
außerhalb der EU in einen EU-Mitgliedstaat fliegen, sofern der
Flug von einem Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft
durchgeführt wird. Schließlich wird die geplante Verordnung
nicht nur wie bisher die Rechtsfolgen bei Überbuchung regeln,
sondern auch bestimmte Pflichten und Entschädigungsleistungen
für die Fälle der Annullierung sowie der erheblichen
Verspätung von Flügen vorsehen.
Neu ist im Falle der Überbuchung
insbesondere die Einführung eines Freiwilligensystems. Sobald
sich eine Überbuchung abzeichnet, muss die Fluggesellschaft
demnach erst einmal Freiwillige suchen, die gegen Gewährung
von im einzelnen zu vereinbarenden Vorteilen – gegebenenfalls
Zahlungen – freiwillig von ihrer Buchung zurücktreten und
damit Platz für andere Passagiere schaffen. Nur wenn sich
nicht genügend Freiwillige finden, ist die Nichtbeförderung
von Fluggästen gegen ihren Willen erlaubt. Frau Leffers
äußerte Zweifel an der Praktikabilität und Ausgewogenheit des
Freiwilligensystems, weil die individuellen Verhandlungen mit
den Passagieren über zu gewährende Vorteile häufig unter
Zeitdruck geführt werden müssten und zu „schiefen“ Ergebnissen
führen könnten.
Die Verpflichtungen der
Fluggesellschaften, den Passagieren im Falle der Überbuchung
die Erstattung des Flugscheines oder die Weiterbeförderung
anzubieten sowie verschiedene Betreuungsleistungen während der
Wartezeit zu erbringen, wären auch in Zukunft im wesentlichen
so ausgestaltet wie nach gegenwärtig geltendem Recht. Hier
kritisierte Frau Leffers die Formulierung des
Verordnungsentwurfes, der unterschiedliche Rechtsfolgen als
„Unterstützung“ bezeichne und damit ein unnötiges
Verwechslungsrisiko schaffe.
Die den Passagieren zu zahlenden
Mindest-Ausgleichsleistungen sind in dem Verordnungsentwurf
etwa verdoppelt worden und reichen je nach Fallgestaltung von
125,- bis 600,- EUR. Obwohl dies im Vergleich zu der noch im
Vorjahr zur Debatte stehenden Verfünffachung der derzeit
gültigen Beträge (75,- bis 300,- EUR) fast als moderat
bezeichnet werden könne, hielt Frau Leffers auch diese Beträge
angesichts der Entwicklung der Flugpreise für recht hoch. Mit
entsprechender Kritik von Verbänden und Interessenvertretern
sei wohl noch zu rechnen. Eine Begrenzung auf den Ticket-Preis
soll nach neuem Recht nicht mehr möglich sein.
Solche Ausgleichsleistungen müssen nach
dem Verordnungsentwurf auch im Falle der Annullierung von
Flügen gezahlt werden. Bei Verspätungen sieht die Verordnung
hingegen keine finanziellen Entschädigungen vor (diese könnten
sich allerdings wie bisher aus anderen Rechtsvorschriften
ergeben). Abschließend kritisierte Frau Leffers eine aus ihrer
Sicht unzureichende Verzahnung der geplanten Neuregelungen mit
dem Reiserecht, die wegen der vorgesehenen Einbeziehung von
Nicht-Linienflügen erforderlich sei. Hier bestünde wohl ein
gewisser Klärungsbedarf, z. B. im Hinblick darauf, wie
Freiwillige bei Charterflügen ermittelt werden sollten und wie
eine Weiterbeförderung durch die Fluggesellschaft
sichergestellt werden solle, wenn doch die Organisationshoheit
für die gesamte Reise beim Veranstalter liege. Nicht
ausreichend geklärt sei auch die Anrechnung der in der
Verordnung vorgesehenen Ausgleichsleistung auf mögliche
Schadensersatzansprüche des Passagiers / Reisenden gegen den
Veranstalter und schließlich sei das Verhältnis zur
Reisepreisminderung (kein Schadensersatzanspruch), gar nicht
geregelt.
Insgesamt, so meinte Frau Leffers, würde
die neue Verordnung zur Verbesserung der Fluggastrechte
sicherlich noch für viele Diskussionen sorgen – vielleicht
könnten schon auf der nächsten ITB erste Erfahrungsberichte
ausgetauscht werden.
3. Im Anschluss daran informierte Rechtsanwalt Paul
Degott, Hannover, schlaglichtartig über aktuelle
Urteile des Bundesgerichtshofs mit reiserechtlicher
Relevanz.
Der Bundesgerichtshof hatte unter anderem
einem Reiseveranstalter ins Stammbuch geschrieben, bei
drohenden Naturereignissen oder sonstigen Gefahren, die den
Reisenden und seine Reise erheblich beeinträchtigen könnten,
so rechtzeitig zu informieren, dass der Urlauber noch die
Chance hat, von der Reise Abstand zu nehmen oder eine
alternative Reise zu buchen. In dem entschiedenen Fall hatte
ein Reiseveranstalter sowohl am Tag vor der Abreise wie auch
am Abreisetag die Warnung vor dem heraufziehenden Hurrikan
Georges erhalten, gleichwohl die Reisenden aber nicht
informiert und diese in die Dominikanische Republik reisen
lassen. Nach Ankunft war die Anlage zerstört, die Reisenden
mussten umquartiert werden und brachen schließlich die Reise
nach neun Tagen ab. Der Bundesgerichtshof sprach ihnen einen
Anspruch auf Reisepreisrückzahlung und auf Schadensersatz zu.
Den Reiseveranstalter treffe eine umfangreiche Erkundigungs-
und Informationspflicht hinsichtlich der Gefährlichkeit des
Urlaubsortes. Es sei davon auszugehen, dass Reisende im
Bereich eines Hurrikans erheblichen Gefahren für Leib und
Leben ausgesetzt seien, so dass schon eine
Eintrittswahrscheinlichkeit von 1:4 eine erhebliche Gefährdung
des Reisenden darstellt, so erheblich, dass dies nicht mit
einem Hinweis auf das „allgemeine Lebensrisiko“ des Reisenden
abgetan werden könne.3
In einem weiteren Fall hatte der
Bundesgerichtshof zu entscheiden, ob ein
Incentive-Veranstalter als „Reisender“ im Sinne des § 651 a
Abs. 1 BGB anzusehen sei. Ein solcher hatte für die
Fußballweltmeisterschaft in Paris bei einem Zwischenhändler
Busfahrten zum WM-Fußballspiel Deutschland gegen USA
eingekauft, die Reisepreise gezahlt, die vorgeschriebenen
Sicherungsscheine erhalten und ansonsten vereinbart, die
tatsächlich Reisenden namentlich erst kurz vor der Reise
benennen zu dürfen. Hierauf ließ sich vor allem auch die
Insolvenzversicherung ein, die für den Reiseveranstalter qua
Sicherungsschein dessen Insolvenz absicherte. Prompt ging der
Reiseveranstalter vor Reiseantritt pleite, die schon bezahlten
Reisen wurden nicht durchgeführt. Nun auf Zahlung in Anspruch
genommen, verteidigte sich die Insolvenzversicherung damit,
dass die Incentive-Unternehmerin ja eigentlich gar kein
„Reisender“ im Sinne des Gesetzes sei, also auch keine
Zahlungspflicht der Versicherung bestehe. Dies ließ der
Bundesgerichtshof nicht gelten. Übereinstimmender Wille der
Vertragsparteien sei es gewesen, die eingekauften Reisen im
Sinne eines Vertrages zugunsten Dritter den tatsächlich
Reisenden später hin zu übertragen. Ob Reiseleistungen im
Rahmen eines Pauschalreisevertrages erbracht werden sollen,
sei aus dem Blickwinkel des Zuwendungsempfängers zu
beurteilen. Durch die Übergabe der Sicherungsscheine habe die
Insolvenzversicherung die vertragliche Abrede übernommen, dass
die ursprünglich „eingekauften“ Reisen an die Kunden der
Unternehmerin weitergegeben werden. Deshalb müsse sie auch für
die Rückzahlungsansprüche einstehen.4
Drastisch ging es im nächsten Fall zu,
den der Bundesgerichtshof zu beurteilen hatte: Es hatte jemand
eine Gruppenreise nebst einem Helikopter – Skilauf von einem
Gletscher gebucht. Es handelte sich hierbei um eine
kombinierte Reise: Für die eigentliche Gruppenreise sollte der
eine Veranstalter gerade stehen, was dieser auch bestätigt
hat; für den Helikopter – Skilauf bestätigte ein weiterer
Reiseveranstalter seine Einstandspflicht. Gleich zu Anfang der
Reise fand entsprechend ein Helikopter – Skilauf auf einem
Gletscher statt. Die Reisegruppe wurde mit einem Helikopter in
etwa 4. 000 m Höhe auf dem Gletscher abgesetzt und fuhr in
Kleingruppen auf Skiern oder Snowboards zu Tal. Gleich bei der
zweiten Abfahrt stürzte die Verletzte mit ihrem Snowboard etwa
10 m tief in eine quer zum Gletscherhang verlaufende
Gletscherspalte. Durch den Sturz und die sich anschließenden
Rettungsaktionen wurde sie so schwer verletzt, dass sie
seitdem querschnittsgelähmt ist. Die zu klärende Frage war
nun, welcher der beiden Veranstalter der Verletzten auf
Schadensersatz und Schmerzensgeld gerade zu stehen hat. Hierzu
hielt der Bundesgerichtshof fest, dass jeder Veranstalter nur
insoweit haften muss, als er selbst eigene Vertrags- und
Sorgfaltspflichten übernommen hat. Da der Unfall während der
Skiabfahrten passiert ist, trifft zunächst den zweiten
Veranstalter jegliche Haftung. Wenn die Verletzte auch den
ersten Reiseveranstalter in Anspruch nehmen wollte, wäre
nachzuweisen, dass dieser tatsächlich und vertraglich
verpflichtet und in der Lage war, auf das Programm und die
Durchführung des Programms des anderen Veranstalters einwirken
zu können, dass er insoweit eigene Organisationspflichten
übernommen hat, also selbst dafür verantwortlich war, die
Reiseleistungen so zu organisieren, dass eine über das bei
Skiabfahrten bestehende allgemeine Risiko hinaus gehende
Gefährdung der Reiseteilnehmer ausgeschlossen ist. Dies konnte
der Bundesgerichtshof für den ersten Veranstalter nicht
feststellen. Das Urteil sollte jeden Reiseveranstalter
gleichwohl als Warnung dienen, bei den vielfältigen
Sonderangeboten von Skiabfahrten, Tauchprogrammen,
Paragliding-Touren, bei Drachenflügen, Hochgebirgswandern,
Rafting- und Wildwasserkanufahrten und ähnliches sich sehr
sorgfältig die hierbei entstehenden Gefahren bewusst zu machen
und die Organisation und Ausführungskontrolle hierauf
auszurichten. Dies gilt insbesondere dann, wenn wie üblich
derartige Programme jedermann angeboten werden, ohne dass in
der Ausschreibung auf die besonderen Gefahren und die
Anforderungen an Gesundheit und Kondition hingewiesen
wird.5
Abschließend sprach der Referent zwei BGH
– Entscheidungen an, die vor dem Hintergrund des anstehenden
Irak – Konflikts bei der Zuhörerschaft auf besonderes
Interesse stieß. Es ging um die in den Allgemeinen
Reisebedingungen aller Reiseveranstalter enthaltene Klausel,
die vertraglich vereinbarten Reisepreise aus besonderen
Umständen nachträglich zu erhöhen. Regelmäßig geht es um
Zuschläge aufgrund gestiegener Kerosin-Preise, die von den
Fluggesellschaften an die Reiseveranstalter und dann von
diesen an die Kunden weiter gegeben werden sollen. Der
Bundesgerichtshof hat nun zwei entsprechende Klauseln der
Reiseveranstalter Alltours und Bucher Reisen als intransparent
und damit AGB – widrig verboten.6 Im
Ergebnis dieser Entscheidungen wird die Veranstalterseite
kurzfristig nach Lösungen suchen müssen. Denn gerade mit dem
angelaufenen Irak–Krieg wird der Kerosinpreis vermutlich
sprunghaft steigen mit der zwingenden Folge, dass die
Luftverkehrsgesellschaften bei den Veranstaltern
Preisnachforderungen stellen werden. Soll der Nutzen aus
Flugpauschalreisen hierdurch nicht aufgezehrt werden, wird
diese Preissteigerung an die Reisenden weiter gegeben werden
müssen, was jedoch nur auf der Basis einer entsprechenden
Einzelabrede oder aber mit einer wirksamen
Preiserhöhungsklausel möglich ist. Händeringend wird nach
Lösungsansätzen gesucht, nachdem der BGH selbst keinerlei
Lösung vorschlägt. Der Referent wies auf einen interessanten
und nachdenkenswerten Lösungsvorschlag von Schmid7 hin.
Nachdem die Kerosinpreiserhöhung zunächst die
Luftverkehrsgesellschaft treffe und nicht den
Reiseveranstalter, biete sich an, deren Erhöhungsrechnung als
Berechnungsgrundlage der Preiszuschläge im Verhältnis
Reiseveranstalter zum Reisenden zu verwenden: die
Luftverkehrsgesellschaft benennt gegenüber dem
Reiseveranstalter den Treibstoff-Einkaufspreis zum Zeitpunkt
der Buchungsbestätigung und zum Zeitpunkt der
Nachforderungserklärung, sowie die hieraus abgeleitete
Kostenkalkulation alter / erhöhter Preis. Die Mehrkosten
werden sodann dividiert durch die Anzahl der Sitzplätze des
vereinbarten Flugzeugmusters und ergeben somit einen für jeden
Reisenden nachvollziehbaren Berechnungsweg, an dessen Ende der
individuell zu tragende Preisaufschlag steht. Die
Branchenjuristen werden aufgefordert sein, diese oder ähnliche
Lösungsvorschläge nun kurzfristig in eine AGB-Klausel zu
gießen. (PH/CL /PD)
Fußnoten:
1
Interinstitutionelles Dossier: 2001/0305 (COD) des Rates der
EUROPÄISCHEN UNION vom 16. Dezember 2002 (15. 01) -
15595/02. 2 Verordnung (EWG) Nr.
295/91 des Rates vom 4. Februar 1991 über eine gemeinsame
Regelung für ein System von Ausgleichsleistungen bei
Nichtbeförderung im Luftverkehr. ABl. Nr. L 36 vom 8. 2. 1991,
S. 5. 3 BGH, Urt. vom 15. 10.
2002, RRa 2002,258. 4 BGH, Urt.
vom 16. 4. 2002, RRa 2002,154. 5
BGH, Urt. vom 12. 3. 2002, RRa 2002,207. 6 BGH, Urt. vom 19. 11. 2002 - X ZR 243/01
und X ZR 253/01. 7 NJW 2003, 947.
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