Gute Zeiten, schlechte Pleiten
Wer Probleme rechtzeitig erkennt, kann die
Unternehmenskrise meist verhindern
"Fehler vertuschen ist falsch, denn Fehler zu
vermeiden lernen wir gerade von unseren Fehlern." Das hat
schon Sir Karl Popper erkannt, lange bevor man das
Krisenmanagement in Unternehmen kannte. Fehler bewusst zu
übersehen oder nicht wahrhaben zu wollen, kann
schlimmstenfalls die Existenz eines Unternehmens bedrohen.
Denn eine Insolvenz kommt niemals von heute auf morgen; es
gibt immer eine ganze Reihe an Hinweisen, die auf eine Krise
schließen lassen. Von Robert Kümmerlen
"Eine bedrohliche Situation für eine Firma entsteht niemals
monokausal, also auf Grund eines Fehlers allein", sagt Peter
Höbel, Geschäftsführer der Unternehmensberatung für
Krisenmanagement Crisadvice. "Vielmehr ist es die Summe von
Problemen, die in die Krise führt." Doch es gibt Warnzeichen.
Wer diese erkennt, hat eine realistische Chance,
Gegenmaßnahmen einzuleiten.
Ein Blick auf die Werbung zeigt, dass alle Unternehmen -
gleich welche Branche - im Grunde vier Dinge wollen: Die
Kunden zufrieden stellen und neue gewinnen, Produkte und
Dienstleistungen ständig verbessern, die Finanzsituation
beherrschen sowie Konzepte und Ziele für die Zukunft
entwickeln. Darüber hinaus gibt es natürlich zahlreiche
weitere Aspekte, die Bestandteil einer Unternehmensphilosophie
sein können. Doch wenn einer der genannten Punkte nicht
reibungslos funktioniert, kann das bereits der Auslöser für
eine Krise sein. Das Wirtschaftsglück liegt nun nicht in der
Hand des Firmenchefs allein. Es gibt äußere Umstände, auf die
ein Unternehmen lediglich reagieren kann, wie Konjunktur,
Marktveränderungen oder Kaufverhalten der Kundschaft. Interne
Konditionen, die sich beeinflussen lassen, sind dagegen die
Unternehmensstrategie und die Positionierung im Markt.
Die Fehler, die innerhalb eines Unternehmens zu einer Krise
führen können, sind vielfältig. Mangelnde Qualifikationen der
Mitarbeiter, unpassendes Konzept, mangelnde oder unausgereifte
Marketing und Vertriebsaktivitäten, falsche Standortwahl,
unangemessene Einschätzung der Marktlage oder eine schlechte
Finanzierung sind häufig der Beginn des Untergangs.
Doch solange sich ein Unternehmer auf der sicheren Seite
glaubt, ist es schwer möglich, Probleme früh zu erkennen.
"Viele wollen die Probleme nicht wahrhaben, und wenn sie sie
erkennen, ist es oft schon zu spät", weiß Höbel. Daher
empfiehlt es sich, von Zeit zu Zeit das Unternehmen kritisch
zu hinterfragen. Krisenmanagement heißt nämlich nicht, dass
man erst dann zu handeln beginnt, wenn der Eisberg bereits in
Sicht ist. Früherkennung soll es ermöglichen, Risiken
aufzudecken und eine neue Route einzuschlagen - wodurch sich
wiederum auch neue Chancen ergeben. "Wenn ein Unternehmer
glaubt, einen Krisen plan entwickeln zu müssen, ist das
bereits die halbe Miete, denn er hat den Handlungsbedarf
erkannt."
Jedoch ist nur ein mutiger Unternehmer in der Lage, Fehler
einzugestehen. Doch wie lässt sich nun erkennen, ob ein
Unternehmen gefährdet ist? Hierbei ist ein Fragenkatalog
hilfreich. Um einen Weg aus der Krise zu finden, müssen
darüber hinaus folgende Fragen beantwortet werden:
- Welche Probleme bedrohen die Existenz der Firma?
- Wie hoch sind Personal und Materialkosten?
- In welchen Bereichen liegen die Stärken des Unternehmens?
- Wie lässt sich die Produktpalette verkleinern, ändern
oder erweitern?
- Wie effizient arbeiten Marketing und Vertrieb?
- Wie sicher ist die Finanzierung?
- Welche Märkte lassen sich neu erschließen, welche sind
überholt?
Die Beantwortung dieser Fragen kann für den Unternehmer
oder das Management äußerst schwierig sein. Mitunter können
ein externer Berater oder andere vertrauenswürdige Personen
hilfreich sein. In jedem Fall gilt: Patentrezepte oder
Anleitungen zur Bewältigung von Problemen und Krisen gibt es
nicht. Jede Situation ist anders. "Es gibt nicht den
universellen Krisenplan", betont Höbel. "Er muss immer
spezifisch sein."
Eine Erfolg versprechende Möglichkeit ist es, auf Personen
zurückzugreifen, die bereits Erfahrung im Krisenmanagement
haben (siehe hierzu auch das Interview). Mitunter lassen sich
die Herausforderungen leichter und besser meistern durch ein
erweitertes Management. Diese Aufstockung der Führungsebene
ist in der Regel zeitlich befristet.
Ein solcher Lotse benötigt Fachkenntnisse wie spezifisches
Branchenwissen. Berufliche Erfahrungen sollten vorhanden sein
sowohl im kaufmännischen Bereich als auch in Handel,
Transport, Logistik und Technik. Ebenso muss er über gesunden
Menschenverstand, Verantwortungsbewusstsein und soziale
Kompetenz verfügen.
Im besten Fall strebt er einen kreativen Lösungsprozess an.
Das bedeutet, die Probleme als Chance zu verstehen, setzt
allerdings auch voraus, die richtige Methode zur Lösung zu
haben. Um diese zu finden, können Kreativitätstechniken
helfen. Wichtig ist, schnelle, klare und nachvollziehbare
Entscheidungen zu treffen und nicht zu warten, bis möglichst
viele Informationen gesammelt sind. Stattdessen sollten besser
Lösungsalternativen gesammelt werden.
Ein Lotse weiß dies, denn er hat in seiner Laufbahn bereits
unterschiedliche Herausforderungen gemeistert. Das hat zur
Folge, dass er in diesem Bereich immer wieder angesprochen und
eingesetzt wird. Um Erfolg zu haben, muss er volles Engagement
einbringen, ohne dabei zum kühlen und rücksichtslosen
Managertypen zu werden. Auch darf die Abhängigkeit der
Mitarbeiter von ihm nicht zu groß werden. Die Mannschaft muss
in der Lage sein, sich nach seinem Weggang selbst zu führen.
Selbst wenn ein Unternehmen nicht unmittelbar vor einer
Krise steht, ist Vorbeugung ratsam. "Auch wenn Ihr Unternehmen
krisenfrei ist, sollten Sie sich jeden Tag einen bestimmten
Zeitraum nehmen, um sich gedanklich auf die Lösung einer Krise
vorzubereiten", empfiehlt Norman R. Augustine, amerikanischer
Top-Manager bei Lockheed Martin. "Es gibt keine wundersame
Notrufnummer, die man anrufen könnte, wenn die Lage kritisch
wird."
Ein Krisenplan muss rechtzeitig entwickelt werden. Dazu
gehört auch, alle Beteiligten darin zu schulen, eine sich
entwickelnde Krise auch anhand schwacher Signale zu erkennen.
Hilfreich kann eine Liste mit möglichen Punkten sein, die dem
Unternehmen Ärger bereiten könnten. Hierzu sind die Folgen zu
überlegen und die Kosten für Präventivmaßnahmen zu
kalkulieren. Schon vor einer Krise sollten Aktions,
Kommunikations- und Notfallpläne vorliegen, sowie
Back-up-Systeme für die Datenverarbeitung.
Zu einer effektiven Krisenprävention gehört zudem, die
Notfallstrategien zu testen. Nur dann ist gewährleistet, dass
im Ernstfall sinnvolle Maßnahmen ergriffen werden.
Unternehmen, die so offen mit möglichen Problemen umgehen,
werden sie in Krisensituationen auch lösen. (DVZ 28.02.2002)
Kontakt: kuemmerlen@dvz.de
Stadien der Krise erkennen
(rok) Je mehr Fragen dabei mit "nein" beantwortet werden
und je weiter die verneinten Fragen am unteren Ende stehen,
umso bedrohlicher ist die Situation. Früherkennung (leichte
Krise): Sofern lediglich diese Fragen mit "nein" beantwortet
werden, besteht noch genug Zeit zu handeln:
- Haben Sie neue Geschäftsideen?
- Haben Sie neue Produkte/Dienstleistungen?
-Haben Sie genug neue Kunden gewonnen? Späterkennung
(mittlere Krise): Werden diese Fragen mit "nein" beantwortet,
sind schnellstens Lösungen und Strategien gefragt:
- Ist Ihr Betriebsergebnis wirklich gut?
- Steigt Ihr Umsatz?
- Haben Sie Ihre Kosten im Griff? Schwere Krise: Sofern
diese Fragen mit "nein" beantwortet werden, sieht es sehr
schlecht mit dem Unternehmen aus. Die Probleme wurden zu spät
erkannt, eine Pleite ist nahezu unabwendbar:
- Reicht Ihr flüssiges Geld aus? (Liquidität)
- Gibt Ihnen die Bank noch Geld? (Kreditwürdigkeit)
- Vermeiden Sie erfolgreich die Pleite? (Insolvenz)
(DVZ 28.02.2002)
Bücher zum Thema
- Töpfer, Armin: Plötzliche Unternehmenskrisen - Gefahr
oder Chance? Luchterhand Verlag, Neuwied, 1999, 282 Seiten,
29,90 EUR
-Birker, Klaus; Pepels, Werner (Hrsg.): Handbuch
Krisenbewusstes Management; Krisenvorbeugung und
Unternehmenssanierung. Cornelsen Verlag, Berlin, 2000, 360
Seiten, 29,90 EUR (DVZ 28.02.2002)
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