Touristik
R.E.P.O.R.T. 05/2001
- SPEZIAL:
Medien - Seite 115-116
Auch wenn der Tourismus nicht unbedingt zu den Risikobranchen
zählt, Gefahren lauern selbst hier mehr als genug: Naturkatastrophen,
Flugzeugabstürze, Bahnunglücke, aber auch Streiks haben schon
so manches Unternehmen mit ungeahnten Problemen konfrontiert und
den guten Ruf gekostet. Investitionen in Krisenprävention und
-management zahlen sich daher für Veranstalter, Leistungsträger
und Destinationen aus.
peter Höbel
ist weder ein besonders ängstlicher, noch ein besonders pessimistischer
Mensch. Nur ein vorsichtiger, und das nicht nur, weil die Er- fahrung
den Krisenberater gelehrt hat, daß Vorsicht stets besser als Vertrauen
ist. "Ich habe eben zu meinen Hosenträgern gern zusätzlich
noch einen Gürtel", erklärt er, und so gilt sein erster Blick
in Flugzeug oder Hotel immer dem Not ausgangs-Schild. Vorbeugend,
nicht etwa, weil er der Sicherheit mißtraut. Denn was die Zahl der
Flugzeugunglücke angeht, so kann der frühere Journalist und Ex-LH-Manager
statistisch belegen: "Die Luftfahrt ist mit den Jahren immer
sicherer geworden."
Wozu braucht es dann Krisenmanagement? Weil Gefahren immer und überall
lauern können, wie der Tunnelbrand von Kaprun erst kürzlich deutlich
machte. Im Tourismus nicht weniger als in der Industrie. Und weil
sich im Medienzeit-alter selbst kleinere Vorfälle aufgrund falscher
Informationspolitik in Sekunden-schnelle zu Katastrophen auswachsen
können.
"Die
meisten Unternehmen verfügen heute über ein Beschwerdemanagement,
nicht aber über Krisenprävention", kritisiert Höbel, für
den dieses unverzicht-barer Bestandteil von Total Quality Management
ist. Oft, so seine Erfahrung, ist es nämlich von der Beschwerde
bis zur Krise gar nicht mehr weit: "Kleine Zwischenfälle
können in ihrer Summe durchaus so imageschädigend wie Krisen wirken."
Das stellte auch die Deutsche Bundesbahn fest: Sie kam nach dem
Bahnunglück von Eschede aufgrund dauernder Verspätungen und kleinerer
technischer Defekte, allesamt unter normalen Um- ständen wenig spektakulär, gar
nicht mehr aus den Schlagzeilen heraus.
Wie wichtig
Krisenprävention ist, hat sich allerdings noch nicht herumgesprochen.
Noch immer investieren viele Unternehmen lieber ins Marketing
als in eine Leistung, die im Idealfall nie in Anspruch genommen
wird: maßgeschneidertes Krisenmanagement.
Erdbeben, Vulkanausbrüche, Flugzeugcrashs, Bahnunglücke die Liste möglicher
Katastrophen, die den Bereich Tourismus betreffen, ist lang. Veranstalter,
Airlines, Destinationen und Transportunternehmen wissen das. Doch
nicht immer zieht das Wissen um die Risiken die notwendige Krisen-
prävention nach sich. Krisenpläne, Medientrainings und strategische
Einsatzplanung, wie es Höbel und seine Firma crisadvice anbieten,
sind in wenigen Unternehmen die Regel.
Die großen Veranstalter, Bahn oder Airlines haben zwar allesamt entsprechende
Krisenstäbe eingerichtet, doch selten sind alle Abteilungen eines
Unternehmens ins Krisenmanagement integriert. Dabei werde die
Komplexität von Krisen leicht unterschätzt, warnt Höbel, für den
erst das Zusam menspiel von operativen und kommunikativen Elementen
zum Erfolg führt. Ein Beispiel: Optimale Kommunikation ermöglicht
es, operative Maßnahmen auch für Außenstehende entsprechend nachvolziehbar
zu machen.
Welche komplexen Abläufe es durch einen gut funktionierenden
Krisenplan abzudecken gilt, wissen die wenigsten. Schließlich
müssen im Falle eines Flugzeugabsturzes nicht nur Opfer geborgen,
die Medien informiert und Angehörige betreut werden, und das alles
gleichzeitig. Auch logistische Aspekte wie der Transport der Angehörigen
zum Krankenhaus oder die Rückführung von Toten und Verletzten
sowie Ursachen-findung, Schadensabwicklung, begleitende Pressekonferenzen
und eventuelle rechtliche Schritte sind Teil des Krisenmanagements.
Und das läuft nur dann reibungslos ab, wenn die Kommunikation zwischen
den einzelnen Abteilungen klappt. Leichter gesagt als getan, denn
Interessen-konflikte sind vorprogrammiert. Nur ein Beispiel: Wenn
eine Airline bei der An- gehörigenbetreuung Hervorragendes leistet
und gleichzeitig eine vorbildliche Pressearbeit organisiert, während
die Rechtsabteilung mit der Fordrung nach Einkommensteuererklärungen
an die Hinterbliebenen herantritt, ist der positive Gesamteindruck
schnell dahin. "Ein Unternehmen ist die Summe seiner Abteilungen",
macht Höbel deutlich, "und nur der Gesamteindruck wird nach
außen wahrgenommen."
Vernetzung
spielt auch in der Informationspolitik eine wichtige Rolle. "Oft
kommunizieren zu viele", kritisiert Höbel den gutgemeinten
Willen zur Transparenz und entwirft ein Szenario, in dem bei einem
Unglück der Einsatzleiter vor Ort von Fernsehjournalisten befragt
wird, während sich auf einem anderen Kanal ein Lokalpolitiker
zu Wort meldet, ein Experte über mögliche Unglücksursachen spekuliert
und Rechtsvertreter zur Lage befragt werden.
"Medien
nehmen Informationen wie ein Schwamm auf und schaffen oft erst durch
widersprüchliche Berichterstattung aus einem vermeintlichen einen
tatsächlichen Konflikt", so der Vorwurf des Beraters an
viele Medienvertreter. Das Ergebnis: Der durch die Befragung
zu vieler Beteiligter entstehende Informationswirrwarr vermittelt
den Eindruck mangelnder Kompetenz, ob- wohl vielleicht vor Ort
hervor- ragende Arbeit geleistet wird.
Ein anschauliches
Beispiel dafür ist Höbels Ansicht nach Kaprun. Hier sei die operative
Leistung der Rettungsteams in der Medienberichterstattung völlig
hinter der Frage nach der Brandursache zurückgetreten. Das Ergebnis:
Während sich alle Welt fragte, wie es zu
dem verheerenden
Unglück hatte kommen können, wurde überhaupt nicht registriert,
welch hervorragende Arbeit die Einsatzkräfte bei der Bergung leisteten.
Ein gespaltenes
Verhältnis hat der Berater zum Thema Berichterstattung auch dort,
wo Journalisten sich hinter dem Argument Transparenz verschanzen,
um an Informationen über Opfer oder deren Angehörige heranzukommen.
Transparenz, da gibt es für ihn keine Diskussion, "hört da
auf, wo es um den Schutz Betroffener geht." Allerdings, so
sein Rat, sollten sich Pressesprecher nicht hinter dem Argument
Datenschutz verschanzen, sondem lieber für Verständnis werben
und auf die Fürsorgepflicht eines Unternehmens hinweisen.
Ebenso
falsch: aus Angst vor negativen Schlagzeilen oder einer Verurteilung
durch die Medien keinerlei Informationen herauszulassen oder gar
die Kontaktaufnahme von Opfern und Hinterbliebenen zu behin dem. "Wer
in die Offensive geht, hat bessere Karten", rät Höbel und
verweist auf den LH- Landeunfall in Warschau 1993. Während die
Angehörigen der Opfer des Birgen-Air-Unglückes auf eigene Kosten
zum Unglücksort reisen mußten, organisierte die Lufthansa schon
1993 den Transport der Hinterbliebenen nach Polen. Sinn und Zweck
der Maßnahme: den Abschied zu erleichtem, "eine für das Verarbeiten
psychologisch unheimlich wirkungsvolle Maßnahme", wie der
Krisen-Profi weiß. Zumal sie signalisiere: Wir Übernehmen Verantwortung
für diese Menschen.
Die Regel
sieht jedoch anders aus: Noch immer herrscht die Meinung vor,
daß solcherlei "Service" einem Schuldeingeständnis gleichkomme.
Sogar Fälle, in denen die Kontaktaufnahme der Hinterbliebenen
aus Sorge um höhere Schadensersatzansprüche behindert wird, sind
keine Seltenheit. Sein Tip an Krisenmanager: "Versuchen Sie,
Ihre Handlungsweise mit den Augen des Opfers oder Angehörigen
zu sehen, und es wird Ihnen leichter fallen, deren Reaktionen
zu verstehen."
Psychologie,
das wird nicht nur hier deutlich, spielt also eine wichtige Rolle
beim Krisenmanagement. Ebenso wie rechtliche und versicherungstechnische
Aspekte. Um kompetente Ansprechpartner bieten zu können, sind
mit dem auf Versicherungs- und Transportrecht spezialisierten
AnwaIt Peter Kiesgen und mit Psychologe Reiner Kemmler zwei Profis
irn crisadvice-Team vertreten. Ergänzt wird das Angebot durch
ein Experten-Netzwerk aus Gefahrgut-Spezialisten, Öffentlichkeitsarbeitern
und Flugkapitänen.
Vorteil der externen Berater, die auch von Unternehmen mit eigener Krisenabteilung
engagiert werden: der unvoreingenommene Blick. Und die Zeit, unternehmensinterne
Abläufe kritisch unter die Lupe zu nehmen. Denn viele Abteilungen
sind mit der Alltagsarbeit so überlastet, daß keine Zeit bleibt,
sich auf eventuelle Krisen vorzubereiten. "Fürs Katastrophentraining
muß man auch mal rumspinnen können", findet Höbel, und so
kann es vorkommen, daß sein Team allen Ernstes Pläne dafür entwirft,
wie vorzugehen wäre, wenn über dem vollbesetzten Frankfurter Waldstadion
zwei Flugzeuge kollidierten. mco
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Jahrelange
Erfahrung hat den Frankfurter Berater Peter Höbel gelehrt:
"Man sollte die Komplexität von Krisen nicht unterschätzen" |
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