Schutz-Männer

Mehr als bewachen und kontrollieren: Die Sicherheitsbranche sucht hochqualifizierte Mitarbeiter mit höchster Einsatzbereitschaft

von Bärbel Schwertfeger

Daß Edwin Dolde einmal als Sicherheitsmanager tätig sein würde, hätte er niemals gedacht. Weil er schon während seines Studiums als Reiseleiter jobbte, landete der Magister der Philosophie bei Studiosus Reisen und stieg dort zum Gebietsleiter für Lateinamerika, Spanien und Portugal auf. Dann kam der 11. September, und das Thema Sicherheit erhielt einen anderen Stellenwert. Seit 2004 ist Dolde Sicherheitsmanager bei dem Münchner Studienreiseveranstalter. Er prüft die Lage in den angebotenen Reisezielen, studiert die Pannen-Berichte der Airlines und analysiert neue Zielgebiete. "In erster Linie geht es darum, präventiv zu arbeiten und alle vermeidbaren Risiken so früh wie möglich zu erkennen und zu vermeiden", sagt Dolde. Aber auch bei Krisen wie der Flutwelle in Asien ist er gefragt. Dann gilt es, in Absprache mit der Geschäftsleitung schnell zu handeln. Sind die Gäste vor Ort in Sicherheit? Müssen die Reisen abgebrochen werden? Wie sollen die Presse und die Reisebüros informiert werden?

Die Branche boomt. "Bei den privaten Sicherheitsdiensten hat sich die Zahl der Mitarbeiter auf rund 170 000 verdoppelt", erklärt Berthold Stoppelkamp, Geschäftsführer der ASW - Arbeitsgemeinschaft für Sicherheit der Wirtschaft e.V. in Berlin. Allerdings gehören die Jobs im Objekt- und Personenschutz mit einem Stundenlohn von teilweise 4,50 Euro zum Niedriglohnsektor. Doch auch Akademiker werden zunehmend für das Sicherheitsmanagement gesucht, auch wenn es hier keine verläßlichen Zahlen gibt. "Hochqualifizierte Experten sind schwer zu finden", sagt Peter Höbel, Geschäftsführer der Crisadvice GmbH in Frankfurt. "Der Markt sucht", bestätigt Jörg H. Trauboth, Geschäftsführer der Trauboth Risk Management GmbH in Sankt Augustin. Seit 1993 berät der Oberst a.D. der deutschen Luftwaffe und ehemalige Generalstabsoffizier das Management europäischer Unternehmen bei Erpressungen, Entführungen, Warenrückrufen und Imagekrisen.

Denn der Bereich wird immer komplexer. "Ohne ein ganzheitliches Risikomanagement läßt sich heute kein Unternehmen mehr steuern", sagt ASW-Geschäftsführer Stoppelkamp. Dazu gehört die Erstellung von Risikoanalysen und Krisenplänen ebenso wie die Schulung von Managern vor ihrem Auslandseinsatz oder für Lösegeldverhandlungen bei Entführungen oder Erpressungen.

Dabei greifen die Unternehmen oftmals auf externe Anbieter zurück, die sich auf unterschiedliche Bereiche spezialisiert haben. "Unsere Stärke ist die Krisenkommunikation", erklärt Crisadvice-Chef Peter Höbel. Als gelernter Journalist, ehemaliger Stern-Redakteur und Nachrichtenchef bei der Lufthansa verfügt Höbel dabei über vielfältige Erfahrungen. So berät er Unternehmen auch dabei, wie sie ihre Mitarbeiter mit Hilfe interner Kommunikation besser für das Thema Sicherheit sensibilisieren können. Zu den Angeboten gehören aber auch Risikoanalysen für Unternehmen. "Da werden zum Beispiel bei einer Großbäckerei die Produktionsabläufe genau unter die Lupe genommen und Ansatzpunkte für potentielle Produkterpresser identifiziert", erklärt Höbel. Dabei arbeitet Crisadvice mit 25 festen Vertragspartnern zusammen, darunter auch einem promovierten Physiker, der auf die Schwachstellen-Analyse in Unternehmen spezialisiert ist.

Andere Anbieter haben ihren Schwerpunkt bei diffizilen Einsätzen im Ausland. So rühmt sich die Beratungsfirma Control Risks mit ihren Erfahrungen bei 1200 Entführungen. Das international tätige Unternehmen mit Hauptsitz in London verfügt dabei sogar über eine eigene "Response-Abteilung" mit 15 Mitarbeitern, die jederzeit sofort einsatzbereit sind und überwiegend aus dem Militär oder den Geheimdiensten stammen.

Doch längst nicht jeder Job ist so abenteuerlich. Angeboten werden auch Risikoanalysen über potentielle Produktionsstandorte. "In dem Team sitzen dann zum Beispiel ein Volkswirt, ein ehemaliger Mitarbeiter eines Nachrichtendienstes und ein Politikwissenschaftler, die alle mehrere Landessprachen beherrschen", erklärt Robin Kroha, Special Account Manager bei der Control Risks Deutschland GmbH in Berlin. Berufsanfänger mit Hochschulabschluß könnten als Researcher und Business Analyst einsteigen. Eine wichtige Voraussetzung dabei seien Fremdsprachenkenntnisse, wobei derzeit vor allem osteuropäische Sprachen und Arabisch gefragt seien. "Wer bei uns arbeiten will, braucht ein hohes Maß an Selbständigkeit", betont Kroha. Die Anforderungen seien ähnlich wie die großer Kanzleien oder Unternehmensberatungen.

Eine qualifizierte Hochschulausbildung zum Sicherheitsmanager gibt es bisher nicht. "Im Augenblick beherrschen die Seminaranbieter das Geschäft", beobachtet Jörg H. Trauboth und warnt vor internationalen Zertifikaten, die man bereits in drei Tagen erwerben kann. "Man muß ein Generalist sein und erfassen, was ein Unternehmen braucht", sagt der Krisenexperte. Die Vorbildung sei dabei nicht so ausschlaggebend. Denn gelernt werde vor allem im Job. Einsteiger übernähmen in den Unternehmen meist Teilgebiete und kümmerten sich zum Beispiel um Auslands-Informationen. Dabei warnt der Sicherheitsberater, der nebenbei auch Jobs vermittelt, jedoch vor falschen Vorstellungen. "Viele finden den Job spannend, ohne zu wissen, daß dahinter härteste Arbeit und eine 24stündige Bereitschaft stecken", sagt Trauboth. "Ohne Handy kann da keiner ins Bett gehen."

Artikel erschienen am Sa, 11. Juni 2005

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